25. Juli 2025

Hurra, wir sind Bachmann! X


[Vorlauf] Auf dem zweiten Foto des vorigen Eintrags sehen Sie „das gangan jahrbuch“ von 1985, welches nicht nur an Petra und Gerald Ganglbauer erinnert, sondern auch Alf Ledersteger und an das Litmag „perspektive“.

Dieses Magazin gibt es heute noch und es ist ein passables steirisches Beispiel, wie sich Zirkel herausbilden, die dann Lager ergeben, zu denen eben auch Grenzen gehören. Bei der „perspektive“ sehe ich rückblickend drei Abschnitte, wobei ich den ersten mit Ledersteger und den Ganglbauers als recht moderat in Erinnerung habe.

Der zweite Abschnitt wurde wesentlich von Ralf B. Korte geprägt, woher mir vor allem Petra Coronato als sehr interessant in Erinnerung ist. Helmut Schranz sowieso. Sie finden hier zwei Tondokumente, die einiges über seine Auffassung von Avantgarde aussagen: [Link]



Manche schreiben noch von Hand, aber der Literaturbetrieb ist im Vergleich zu den 1970ern wie von einem anderen Planeten.

Dieser Avantgarde-Aspekte wurde, wie mir scheint, in die dritte Phase hinein erneut betont. Doch nach meinem Geschmack eher in den Kontrast zu anderen Literaturen, doch nicht mit einer sprachlichen Kraft, die mich fesseln kann. Egal, denn darüber gibt es ja ohnehin keinen öffentlichen Diskurs, das Thema hockt also auf sich selbst herum.

Ich hab Evelyn Schalk längere Zeit mit der „perspektive“ assoziiert, aber das ist offenbar Vergangenheit. Sie fehlt im Register des Litmags ebenso wie Schranz. Schalk ist heute die Schlüsselkraft der Grazer Wandzeitung „ausreißer“.

In dem Zusammenhang ließ sie jüngst wissen, was sie für eine passende Antwort auf die veränderte Situation im steirischen Förderwesen halten würde: „300 SOLI-JAHRESABOS ermöglichen uns, weiter unabhängig und kritisch zu berichten, weiter künstlerisch-literarischer Freiraum zu sein und solchen zu geben. Jeder Beitrag zählt.“

Okay! Lassen wir beiseite, daß die hier genannten Agenda wohl kaum in einem staatsnahen Betrieb realisiert werden können, also ohnehin auf eine hauptsächlich zivilgesellschaftliche Finanzbasis zu stellen wären. Keine Landesregierung, egal unter welcher Farbe, würde so ein Vorhaben umfassend ausfinanzieren.



perspektive, Ausgabe 123: Der dazu nötige Aufwand kann auf dem freien Markt natürlich nicht erwirtschaftet werden.

Ich habe in meiner dritten Notiz eine Summe genannt: „Woran habe ich mich in meinen Jahrzehnten als Freelancer gewöhnt? Daran, daß durchschnittlich 30.000,- Euro Jahreseinkommen (brutto!) eine vorzügliche Leistung sind. (Es gibt eine Legion von Kolleginnen und Kollegen, die haben das nie erreicht.)“  [Quelle]

Es korrespondiert mit den von Schalk erbetenen 300 Jahresabos. Das macht „12 Ausgaben für 115,– Euro“ [Quelle] Ergäbe mit € 34.500,- passable Bruttoeinnahmen für ein Arbeitsjahr. Wie schon mehrfach betont, wäre das für die Freelancers unter den Autorinnen und Autoren der Steiermark ein sehr passabler Betrag, den nicht viele erwirtschaften.

An der Schalk’schen Position sehe ich einen inhaltlichen Haken, den ich für gravierend halte, der aber offenkundig kein Anlaß zur Debatte ist. Sie assoziiert ihre Situation mit dem Spanischen Bürgerkrieg und übernimmt einen historisch bedeutenden Slogan: „¡No pasaran!“



Diese Assoziation sollte für eine kulturpolitische Debatte gut sein.

Diese Worte werden Dolores Ibárruri zugeschrieben. Das Zitat aus einer Rede vom 18. Juli 1936 lautet: „¡Viva el Frente Popular! ¡Viva la unión de todos los antifascistas! ¡Viva la República del pueblo! ¡Los fascistas no pasarán! ¡No pasarán!“

Also: „Es lebe die Volksfront! Es lebe die Einheit aller Antifaschisten. Es lebe die Republik des Volkes! Die Faschisten werden nicht durchkommen! Sie werden nicht durchkommen!“

Ich war erst einmal fassungslos, welcher Mangel an Augenmaß in der Geschichtsbetrachtung da deutlich wird, sich diesen Slogan nutzbar zu machen, sich in diesen Kontext zu stellen. Aber ich muß akzeptieren: Da stehen wir also im steirischen Literaturbetrieb, den manche gerne als „steirische Literaturszene“ deuten möchten.

Mir bleibt unter den in diesen zehn Glossen skizzierten Verhältnissen bloß die Position eines kulturpolitischen Separatisten. Was ich in dieser Angelegenheit an öffentlichen Diskursbeiträgen finden konnte, vor allem dessen Fehlen, macht mich völlig ratlos. Aber vielleicht bin in diesem Zusammenhang ja ich das Problem.

+) Hurra, wir sind Bachmann! (Eine Debatte)


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Genau heute vor sieben Jahren hat mich dieses „No pasaran!“ grade beschäftigt