14. September 2025

Raumgestaltung


Ich hab zwar ausreichend von dem, was die Profis Nettonutzfläche nennen, zur Verfügung, aber mein Verdacht hat sich in der Überprüfung bestätigt: Da ist allerhand verpackte Luft und gestapelte Luft. Das verhaut einem sogar eine großzügige Kubatur.

Ich lebe seit einer Ewigkeit und drei Tagen in der Verzahnung von privatem Wohnraum, Büro, Bibliothek und Archiv. Wer es da an Entschiedenheit mangeln läßt, erlebt eventuell, wie im Wohnraum beizeiten bloß noch Saumpfade übrigbleiben, um die lebenswichtigen Positionen zu verbinden. Der Rest: Zeugs.



Als Kind träunte ich davon, ein Sekretär zu sein. Voilà!

Verpackte Luft meint halbleere Kartons. Ich hab sogar zwei leere entdeckt, die offenbar über Jahre Staub ansetzen konnten. Gestapelte Luft meint Leerräume in Regalen, deren Inhalte außer Kontrolle geraten sind, was zur Folge hat, daß ich quasi mit perforierten Regalen lebe.

Natürlich kann man so existieren, ohne daß die Gesundheit Schaden nimmt. Aber es bedeutet unter anderem auch rausgeschmissenes Geld. Von ästhetischen Fragen ganz zu schweigen. Nun bin ich gelegentlich bei einer Frau zu Gast, deren Wohnung ihr ohne Frage höchstes Lob von einer buddhistischen Nonne einbringen würde.

Ich gebe zu, diese Klarheit im Ordnen der Dinge finde ich bestechend, weil sich da gewissermaßen die Qualität einer vorzüglichen Grafik im gesamten Ensemble versteckt. Das bedingt überdies eine gewisse Achtsamkeit betreffs der Anzahl persönlicher besessener Gegenstände. Direkter gesagt: Ich hab unfaßbar viel Zeugs. Viel zu viel.



Sollte ich eigentlich nicht aufheben. Tu ich aber. Vorerst.

Das sind zum Teil Sedimente aus einigen Jahrzehnten der organisierten Ausstellungen und Veranstaltungen. Wäre ich ein Cousin von Pablo Picasso, würde es sich vielleicht, irgendwie, sogar ideell lohnen, den Ramsch in vollem Umfang aufzubewahren. Aber ich bin nicht einmal bereit, frühe künstlerische Werke aufzuheben. Ist ja auch klar. Es waren frühe, also überwiegend schwache Arbeiten.

Ich vermute, daß zum Beispiel mindestens 500 Gedichte aus meinen Anfangsjahren schon vor geraumer Zeit ins Altpapier gingen. Der Grund ist einfach. Ich weiß schon lange sehr viel über Literatur. Daher hätte ich es erkannt, wenn da ein grenzgeniales Frühwerk vorgelegen hätte. Hat es aber nicht. Punkt.

Nun verwende ich lieber einen Teil meiner Zeit für strukturelle Fragen. Ich gehe grade wieder konzentriert einigen Fragen nach, was Literatur im Netz angeht. (Siehe unten den Link „Der lyrische Türsteher“!) Die ganze Online-Situation hat sich ja durch Social Media radikal verändert. Das hat in den frühen Netzkultur-Communities niemand kommen gesehen.

Sollte ich eigentlich nicht aufheben. Tu ich aber. Vorerst.

Hätten wir das auch nur geahnt, wären gewiß einige unter uns fähig gewesen, darauf strategisch zu reagieren. Das sehe ich aber nicht. Unser Kulturvölkchen tendiert derzeit mehrheitlich weg vom strategischen Vorgehen, hin zur Ömpörung. Da gehen ein paar fette Slogans raus, alarmistische Ansagen wie „Kulturland retten!“; und weiter? Das war’s.

Na gut, es ist eine Demokratie. Da darf man ja auch was vermasseln. Ich werde derweil an meiner Hütten weitergraben, um die räumliche Situationen zu ändern. Das bedeutet auch viel Staub zu fressen und Mengen von Altpapier aus dem Haus zu schaffen; Journale, Manuskripte, Artikel, Essays… Ist fast so, als würde ich in einer Bibliothek hausen. Naja, es läßt sich nicht bestreiten, ich hause in einer Bibliothek. [Fortsetzung]

+) Der lyrische Türsteher (Die Übersicht)


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