Der kurze Sommer des Automobils / Seite 22

Es ist eine kuriose Erfahrung. Die seriöse Befassung mit Automobilen, naja, was heißt seriös? Die konsequente Befassung mit Automobilen, bei der auch ein Hauch von Seriosität aufkommt, bewirkt manchmal bei Menschen, die an Autos gar nichts Bemerkenswertes finden, daß sie plötzlich feststellen: Wegen dir fällt mir sowas jetzt auch auf.

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Der noble Nachkriegs-Cederer

Ein Beispiel dafür ist Ursula Glaeser vom KulturBüro Stainz, eine sehr naturverbundene Frau, die sich eher nicht nach Autos umsieht. Aber dann fällt ihr dieser klassische Ponton auf, den sie mir schickt.

Dagegen ist Handwerkerin Ida Kreutzer (Made by Ida) von sich aus in der Sache affiner. Da war einmal ein Ida-Statement im Sinne von das Leben sei zu kurz um sich mit hässlichen Autos abzugeben. Das mag freilich daher kommen, daß sie berufsbedingt nicht bereit ist, sich mit unansehnlicher Massenware zu umgeben.

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"Grüße aus Brooklyn"

Da sich Kreutzer derzeit wieder einmal in den USA aufhält, brachte mir das ein paar Fotos ein, bei denen der Akzent allerdings auf der gesamten Szene liegt. Darunter freilich ein äußerst kurioser Fund. Der markante Hüftschwung und der Höcker auf der Nase machen den Saab Sonett eindeutig identifizierbar; Baumuster Mark III. Eine hochgradige Rarität.

Der Kulturschaffende Karl Bauer hat einen völlig unaufgeregten und pragmatischen Bezug zu Kraftfahrzeugen. Die Karren müssen etwas taugen, um seine Interesse zu binden. Er braucht sie nicht zur Selbstdarstellung und zeigt auch keinerlei auffällige Zuneigung aus privater Passion.

Sein robuster wie betagter Ford Mondeo wird uns heuer wieder in das Kosovo bringen, um dort im Rahmen des 2016er Kunstsymposions die "Prizren-Session" zu absolvieren: [link] Doch wenn ihm heute etwas Interessantes unterkommt, denkt er an mich und schickt mir die Beute.

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Fronttriebler: Velosolex 3500

Nun dieses alte Solex mit seinem Frontantrieb, das Bauer bei einem Besuch entdeckt hat. Bei uns haben sich derlei Konstruktionen nie auch nur annähernd breit machen können. Die Kraftübertragung per Reibrolle soll vor allem bei Regen eine Herausforderung sein. Modelle mit diesem hochgesetzten Scheinwerfer wurden zum Beispiel in den USA vertrieben (Velosolex America in Hackensack New Jersey).

Damit wäre ich beim Thema Moped angelangt, das ich gerade mit Graphic Novelist Chris Scheuer aufarbeite. Das hat seine subkulturellen und popkulturellen Aspekte, welche Scheuer ineinandergehen läßt, wie die Farben in Aquarellen.

Das Puchwerk stand dafür, daß seinerzeit in Österreich einmal mehr Zweiräder als Autos angemeldet waren; ein weltweites Kuriosum. In der Nachkriegszeit war Puch mit seinen Mopeds bei uns absolut marktbeherrschend.

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Das verknüpft sich mit den Geschichten rund um die hochwertigen Fahrräder aus Grazer Produktion, was dazu führte, daß die Marke Puch zu einem Teil heimischer Folklore wurde, da es in fast jeder Biographie ein Geschichtchen gibt, welches mit Puch verbunden ist.

In die rechts oben gezeigte Graphik hat Scheuer übrigens mich eingebaut, wie ich gerade mit einer Puch M 50 Cross über eine Böschungskante kam. Da war ich zwischen 16 und 17 Jahre alt: [Komplette Ansicht] Helm? Schutzkleidung? Handschuhe? Das war damals nicht üblich.

Martin Krusche & Chris Scheuer
Konvergenz: Mopedgeschichten
[link]

Wie sehr all das mit de kurzen Sommer des Automobils zusammenhängt, mag ein Inserat aus dem "Steirischen Bauernkalender" des Jahres 1957 unterstreichen. In diesem Jahr war der Steyr-Puch 500 auf den Markt gekommen. Die Mopeds sind als Novität über das gleiche Händlernetz vertrieben geworden, das schon die bewährten Fahrräder angeboten hatte.

Puch Motorräder dominierten auf diesem Sektor, Nähmaschinen und Kinderwagen verknüpften das Thema mit den Haushalten, in ländlichen Gebieten wurden auch noch die Steyr Traktoren unter dem gleichen Dach angeboten, die historische Steyr-Daimler-Puch AG deckte also ein enormes Feld der Mobilität ab, das Berufswelt und Freizeiträume erreichte...

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