Log #118

[Vorlauf] Das vorhin erwähnte Gespräch mit dem Gleisdorfer Kulturreferenten drehte sich ferner um Aspekte von Rang, Status und gesellschaftlichen Hierarchien. Gerade auf dem Kunstfeld wird gerne vorgegeben, es gehe hier um "höhere Prinzipien", um praktische Erhabenheit gegenüber Ehrgeiz, Neid und Eifersucht. Das ist natürlich völliger Blödsinn. Ein weiteres Steinchen im quasi-religiösen Berufs-Mosaik, das sich unter Kunstschaffenden manchmal besonderer Beliebtheit erfreut.

log118a.jpg (25126 Byte)

Solche Fragen zu bearbeiten ist wichtig. Die Drehscheibe "kunst O.ST" befindet sich aus derlei Zusammenhängen gerade in Transformation. Winfried Kuckenberger, Leiter des Gleisdorfer Kulturbüros, hatte mich nämlich eben erst in sein Büro gebeten, um mir einige Dinge zu eröffnen.

Der wichtigste Punkt: "kunst O.ST" hat bei ihrem nun dritten großen Projekt einen wichtigen Organisationsschritt nicht geschafft, weshalb bei der Umsetzung mehr Arbeit für die Kommunen übrig bleibt als vorgesehen war. (Klartext: Einige Leute aus unserem Kollektiv haben Arbeiten nicht erbracht, für die sie sich selbst gemeldet hatten.)

Manche Leute an der Basis wollen offenbar nicht kapieren, daß jede Arbeitsstunde eines Stadtangestellten sich im Budget dieser Stadt mit einem konkreten Eurobetrag abbildet. Das ist also schon eine faktische Subvention für ein Kulturprojekt, die natürlich limitiert bleibt. (Die populäre Ansicht: "Des müssn de für uns tuan, de ham an Kulturauftrag", ist gleichermaßen inhaltlicher wie regionalpolitischer Unfug.)

log118b.jpg (23899 Byte)

Wir reden also von Ressource, die begrenzt sind und die vor allem ... auch für andere Kulturschaffende verfügbar sein müssen, nicht bloß für EINE Gruppierung. Davon spricht Kuckenberger-Mitarbeiterin Sigrid Meister ebenso. (Auf dem obigen Foto neben Kulturreferent Hannes Felgitsch.)

All das heißt im Klartext: Politik UND Verwaltung lassen uns wissen, daß die Städte Gleisdorf und Weiz zwar dieses Festival ("auf.draht") jetzt auf jeden Fall auf der Schiene halten, für zukünftige Kooperationen gibt es aber BEDINGUNGEN.

Derlei hängt natürlich damit zusammen, daß eine Gemeinde nicht langjährig ein und dieselbe Gruppierung quasi tragen kann. Wir müssen die temporär stärkere Unterstützung nützen, um in diesem Zeitfenster eigenständige und tragfähige Strukturen aufzubauen. Versäumen wir das, werden die erbrachten Leistungen verpuffen.

Ferner: Da sind ja auch andere, größere Kunstvorhaben, initiiert von anderen Leuten, die mit Support seitens der Kommunen rechnen dürfen. (Siehe als Beispiel die kommende große Hartmann-Personale, die ich im vorigen Eintrag erwähnt habe, die ein wichtiger Impuls für die Region sein wird.)

Ich schließe aus all dem, daß "kunst O.ST" nun eine stärkere Transformation erleben muß. Im Kernbereich wird ein professionelles Projektmanagement zu entstehen haben, das die Abwicklung eines größeren Vorhabens leisten und garantieren kann. Unter diesen Bedingungen, so wurde mir gesagt, seien die Städte auch bereit, weiter Geld in diese Vorhaben zu investieren.

log118c.jpg (21191 Byte)

Es hatte schon davor Gleisdorfs Bürgermeister Christoph Stark (hier neben Leader-Managerin Iris Absenger -- links -- und Angelika Vauti-Scheucher, Leiterin der steirischen "Kultur Service Gmbh") bei der ersten Leader-Kulturkonferenz klar gemacht, daß die Kommunen etwa in diesen Zusammenhängen keine primäre Kunstproduktion finanzieren werden, sondern die Kofinanzierung von Strukturentwicklungen vor haben.

Auch das meint:
Professionalisierung im Bereich der Umsetzung von Kulturprojekten, wofür sich Kunstschaffende ebenso zuständig fühlen sollen, weil Politik und Verwaltung das alleine nicht in Angriff nehmen werden. (Polemisch verkürzt: "Sie wünschen, wir spielen" bleibt eine unrealistische Variante.)

log118d.jpg (22931 Byte)

In diesem Zusammenhang halte ich es für unverzichtbar, daß die Gegenwartskunst mehr Orte in der Region bekommt. Dabei sollten wir uns nicht nur auf die Strukturen der öffentlichen Hand verlassen. Private Initiativen sind gefordert. Wie etwa die Galerie "einraum", hier bei der Vernissage zur aktuellen Ausstellung von Helga Knöbl. (Ich hatte dort kürzlich eine Installation des Süditalieners Vito Pace eingerichtet.)

Das für mich Wesentliche an dieser Galerie: Sie verdankt sich dem Engagement einer Gleisdorfer Geschäftsfrau (Barbara Lukas), ist durch ihre handliche Dimension auch für Neulinge auf dem Kunstfeld bewältigbar, obwohl sie sich natürlich ebenso gut für Routiniers eignet, und sie liegt im alten Zentrum der Stadt, hat dank eines riesigen Fensters eine nur niedrige Schwelle hin zur Alltagswelt der Menschen.

Ich denke, ein Zuwachs an solchen Konfigurationen würde der Gegenwartskunst in der Region enorm voran helfen, um im Bewußtsein der Menschen Terrain zu gewinnen.


resethome
7•09