Blatt #31 | KW 41/2019

Die Judenburg-Session #2 | Mythos Puch VI

In dieser Nacht wurden zwei Arten der Judenburger Stadtrundfahrt angeboten. Wahlweise per Fahrrad-Rikscha oder per Puch Haflinger. Das hat sogar einen historischen Zusammenhang. In der Phase unmittelbar vor dem Werden der Allrad-Plattform hatten die Thondorfer dem Puchschammerl diesen vorzüglichen Motor verpaßt.

Wir denken heute bestenfalls an Rasenmäher, wenn ein Vehikel mit weniger als 20 PS auskommen soll. Dabei wird ausgeblendet, was eine kluge Konstruktion mit geringem Gewicht in diesem Bereich schaffen kann.

Ich hab in der ersten Notiz schon erwähnt: Stückzahlen. Das große Thema der Industrie. Lassen sich durch rationellen Mitteleinsatz und hohe Stückzahlen die Preise so weit runterbringen, daß ein breiter Kundenkreis zum Zug kommt, ändert sich der Lauf der Dinge.

So gab es in den Puchwerken kurze Zeit Prototypen, die unter anderem von der Idee handelten, man könne rund um die Welt Flotten von Rikschas motorisieren. Wie treffend diese Vorstellung war, hat dann Piaggo belegt, deren Ape („Biene“), das erfolgreiche Lastendreirad, genau diesen Effekt erreichte. (Tja, Stückzahlen!)

Ich hab das im Buch schon auf den ersten Seiten geschildert und dabei genau jenen Haflinger neben so einem Dreirad gezeigt, also nicht den gleichen, sondern den selben, der nun vor dem Museum für Rundfahrten bereit stand.

Nebenbei: Piaggo ist mit der Puch-Geschichte verknüpft, weil dieser italienische Konzern in den 1980ern den gesamten Grazer Zweiradbereich gekauft hat. Das berühmteste Produkt von Piaggo ist die Vespa („Wespe“).

Beides, hier die moderne Fahrradrikscha, da der der alte, aber nie veraltete Haflinger, brauchen über eine Mitfahrgelegenheit das reale, sinnliche Erleben, damit man besser versteht, was diese Fahrzeug bedeuten. Es ist eine andere Welt der Geschwindigkeit und eine ganz andere Physik gegenüber modernen Kraftfahrzeugen.

In dieser Wechselwirkung von leiblich-sinnlicher Erfahrung alter Technik und konkreter Anschauung der Fahrzeuge, die aus unserem Alltag verschwunden sind, liegt eine wichtige Funktion von solchen Sammlungen.

Immerhin hat Österreichs umfassende Volksmotorisierung erst nach dem Zweiten Weltkrieg stattgefunden. Das ist ein sehr kleines Zeitfenster, in dem weitgehend vergessen wurde, welch geringer technischer und materieller Aufwand (im Vergleich zu heute) uns einst Lasten abgenommen und eine sprunghafte Erweiterung möglicher Wegstrecken ermöglicht hat..

Die Ape trägt eine Vespa

Diese Kenntnis könnte aber sehr nützlich sein, wenn wir nun über neue Konzepte nachdenken müssen, wie wir unsere individuelle Mobilität unbedingt erhalten wollen, aber der massenhafte Individualbesitz von Kraftfahrzeugen garantiert nicht mehr gar so weit in die Zukunft reichen wird.

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