Das jugoslawische LabyrinthLiteratursymposion 1988Ars combinatoria in Jugoslawien Von
Aleksandar Flaker |
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![]() Textauszug! |
Versucht man die kroatische und serbische Literatur kurz zu charakterisieren, so kann man die Erscheinungen der sechziger Jahre mit dem in der Literaturkritik bereits gängigen Terminus Jeansprosa betiteln, den siebziger Jahren würde das Attribut phantastisch zugewiesen und die neuen Strömungen vom Beginn der achtziger Jahre an könnten als vorläufiges Kriterium jenes der Kombinatorik erhalten. All das natürlich im Wissen, daß wir die konstitutiven Modelle aufgrund des mangelnden zeitlichen Abstands heute noch nicht mit Bestimmtheit definieren können. Was jedoch mit Sicherheit möglich ist, ist die Beschreibung einiger charakteristischer Züge, die in der Literatur der letzten Jahre zu beobachten sind. Als ich im Jahre 1978 im Rahmen einer Konferenz in Los Angeles vom Phänomen der Jeans-Prosa im Raum Mittel- und Osteuropas sprach, war dieses Genre bereits im Ausklingen. Der Erzähler in Jeans, der der Welt der Erwachsenen voll Ironie begegnete und sich von ihnen auch durch seine Sprache deutlich zu unterscheiden verstand, hatte zum einen den Kampf verloren, was sich auch darin äußerte, daß einige Vertreter dieser Gattung - denken wir an Skorecky, Aksjonov oder Vojinovic ein Refugium außerhalb der Grenzen ihrer Heimat suchten. Zum anderen, und das ist vor allem für die kroatischen Literatur zu verzeichnen, hatte dieser Erzähler in Jeans den sprachlichen Mittelpunkt der Prosa vom Dorf in die Stadt versetzt und sich gegen eine Reihe von ästhetischen Verboten durchgesetzt, vor allem gegen Tabus im Bereich der Erotik, aber auch hinsichtlich der Entscheidung für einen Erzähler, den man wohl nicht mehr einen Helden nennen konnte, zumal er immer häufiger an den gesellschaftlichen Rändern angesiedelt war. Wir haben bereits eine der strukturellen Eigenschaften der Jeansprosa zumindest einiger Autoren betont, und zwar ein Konstruktionsprinzip des Textaufbaus. Damals haben wir Soljans Roman Izdajice (Die Verräter) als Beispiel herangezogen, in dem der Erzähler das Erzählen als bewußtes Modellieren des Stoffs betrachtet, als eine mögliche Auswahl aus einer großen aber doch begrenzten Zahl von Varianten: "All das zeigt [spricht der Erzähler] die Begrenzungen der Phantasie und ihre stete Bewegung auf vorgezeichneten Bahnen. Nichts läßt sich erfinden, alles ist bereits geschehen aber anderswo und einem anderen." Dieses Zitat scheint uns für die spätere Entwicklung nicht unwesentlich. Denn Soljans Erzähler setzt noch immer bei der Empirie an und erkennt die Möglichkeiten der Phantasie, die er als begrenzt empfindet, nicht an. Die Prosaautoren des folgenden Jahrzehnts hingegen werden mit Borges aber auch mit Bulgakov (dessen Roman in Kroatien bereits drei Auflagen erlebte) fest an die enormen Möglichkeiten der Phantasie glauben. Bereits gegen Ende der Siebziger jedoch wird das Terrain Phantastik entweder verlassen oder im Einklang mit den rezeptiven Möglichkeiten der Leser modifiziert. (Übersetzung: Nadja Grbic) |
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