22. Oktober 2025

Hurra, wir sind Bachmann! XII


[Vorlauf] Mir scheint, dieses Kapitel läßt sich vorerst schließen. Die Bachmannpreis-Euphorie ist gänzlich verflogen. Sogar die Kampagne „Kulturland retten“ ist offenbar verebbt. So wurden wir wenigstens von diesem schauderhaften Slogan errettet. Oder wurde der Unterhang abgesagt? Nein, da war kein Untergang.

Etablierte Seilschaften konnten einige Budgets sichern. Das Land hat ja ein wenig aufgestockt. Weniger etablierte Seilschaften dümpeln vielleicht noch in irgendeinem Gefahrenbereich. Aber das war seit den 1970ern Teil des Metiers. Wenigstens werden ich nicht mehr mit Botschaften wie „No pasaran!“ behelligt.

Daß sich ein Wohlstandskind im etwas krisengeschüttelten Österreich ernsthaft mit jenen Kräften assoziiert, die unter hohem Blutzoll im Spanischen Bürgerkrieg gegen den Faschismus vorgegangen sind, halte ich für den Ausdruck eines eklatanten Mangels an intellektueller Selbstachtung. Aber ich ahne, das ist derzeit völlig egal.



Krusche per KI: Ich bin dann mal weg ;-)

Die letzten 30 Jahre haben uns einige Studien beschert, in denen die soziale Lage von Künstlerinnen und Künstlern zur Diskussion gestellt wurden. Ich konnte es nicht erreichen oder wenigstens am Rande erleben, daß wir, die primären Kräfte, daraus Schlußfolgerungen ziehen, um Strategien zu erörtern.

Ich bin nämlich EPU. Ein Einpersonen-Unternehmen mit den üblichen unternehmerischen Risken. Alternativen? Ein „Priesterstatus“ wurde für Kunstschaffende nicht etabliert. Das bewährteste Modell: braver Subalterner eines Fürsten, Heute wahlweise: gut heiraten und durchgefüttert werden. Der Rest muß sich auf dem Markt bewähren.

Lustige Träume
Dieser Tage las ich folgendes Aviso: „Mit KI weiterdenken – Impulse für kreative und solidarische Kulturarbeit“. Die KI hilft denken? Das wäre mir neu. Was will das sein, „kreativ sein“? Ist mir aus den letzten rund 50 Jahren Wissens- und Kulturarbeit nicht klar geworden. Kenn ich nur als Duftmarke, um Kasse zu machen. Und die „solidarische Kulturarbeit“?

Hätte mir in den genannten 50 Jahren einmal auffallen müssen, falls sie innerhalb dessen, was sich als „autonome Initiativenszene“ nennt, mehr als zeitlich und örtlich begrenzt einmal vorgekommen wäre. Aber dann fällt es mir auf: Womöglich bin ich – ohne es zu merken - in ein Paralleluniversum gerutscht, in eine Art der „antiquarischen Welt“. Ein soziokulturelles Atlantis.



Endlich kreativ und solidarisch dank EDV?

In meinem Universum würde folgendes Aviso Unmut bis Heiterkeit auslösen: „Im Fokus steht die Frage, wie KI kreative Prozesse aktivieren, Denkräume erweitern und solidarische, partizipative Kulturarbeit unterstützen kann – jenseits reiner Technik oder Toolanwendung.“

Wenn wir als primäre Kräfte das in den letzten Jahrzehnen nicht in auffallender Weise zuwege gebracht haben, woher soll nun ein Algorithmus, der ja bloß menschliche Informationslagen computiert, davon eine Ahnung bekommen und uns weiterhelfen?

Ich sehe auch via Social Media kein essenziell frischeres Verhalten von Autorinnen und Autoren als eine Reaktion auf Veränderungen der Geschäftswelt, des Buchhandels, und der Finanzierungsmodelle. Okay, nehme ich zur Kenntnis.



Ultima Ratio? Ich bin für Strategie statt Slogan.

Übrigens kam dieser Tage grade heikle Post von Altmeister Gerhard Ruiss, wodurch mir klar wurde, daß die Buchpreisbindung in Österreich fallen könnte. Kein gutes Zeichen! Aber zum Ausgleich ein anregender Text von Literaturwissenschafter Klaus Kastberger. Ein Rückblick auf Vergangenes: „Graz. Hauptstadt der Literatur“. Aber man kriegt wenigstens so ein Gefühl: „Wissen sie eigentlich, wer ich gewesen bin?“

+) Hurra, wir sind Bachmann! (Eine Debatte)

Postskriptum
+) Gerhard Ruiss: Aufforderung an den Buchhandel zur Einhaltung des Festen Ladenpreises [DOC]
+) Klaus Kastberger: „Graz. Hauptstadt der Literatur“
    (Vortrag IVG Kongress Graz, 22.7.2025, manuskripte 249/2025, S. 205-218) [PDF]
+) Kulturpolitik (Ein paar markante Stellen)


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