13. Dezember 2017

Heute also der Logbuch-Eintrag #l2444. Das ist so ein Stück Zahlenwirtschaft, die stets nur visuell, aber nicht inhaltlich zu mir spricht. Dabei bin ich ohne jedes Talent zum Mystiker, also bleibt es für mich in seiner Magie etwas rein Graphisches. Es ist mir darüber hinaus natürlich ein Koordinatensystem, um mich in den laufenden Prozessen zu orientieren..

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Bald also zweitausendfünhundert Notizen in dieser Leiste und sehr wahrscheinlich noch einmal so viele in den anderen, die ich pflege, davon demnächst allein 650 im Projekt-Logbuch, dagegen erst knapp über hundert im Flame-Projekt. Aber dafür listet das System von Kunst Ost derzeit 1.035 Einträge etc. Das ergibt in den letzten 14 Jahren rund einen Text für jeden Tag.

Der erste Eintrag in diesem Logbuch stammt vom 31.12.2003, war sehr knapp gehalten und zeigte das Luftschiff, mit dem die Cousins meiner Großmutter Marianne einigen Staub aufgewirbelt hatten. 2003. Das waren die Tage, in denen mein 20 Jahres-Projekt "The Long Distance Howl" gerade in Gang gekommen war.

Damit wir uns recht verstehen, diese Betrachtung ist nicht als "Leistungsschau" intendiert, sondern als Blick auf das Alltagsmuster eines Berufes. Es sollte Konsens herrschen, daß ein Schriftsteller schreibt, daß er es jeden Tag tut, daß er laufend publiziert. Das ist so banal, wie ein Bäcker in der Backstube steht, eine Chirurgin Menschen aufschneidet und wieder zunäht, was auch immer als anderes Beispiel naheliegend erscheint.

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Zu meinem Texthunger kam eine kuriose Erweiterung. Ich rechne es wesentlich meiner Sehschwäche an, daß ich über die Jahre so ein drängendes Interesse an visuellen Codes entwickelt hab. Deshalb neige ich zum ständigen Entschlüsseln meiner Umgebung auf einer außersprachlichen Ebene, wie hier, in einem trivialen Beispiel, das sich aus Architektur und Sonnenstand ergeben hat.

Das sind Grundbedingungen meiner aktuellen Idee, zum 2018er Kunstsymposion mit einer Reihe von Objet trouvé-Beispielen hinzuführen: [link] Man könnte auf eine fast sokratische Art behaupten: Alles nur vorgefunden, alles schon da! Damit will ich andeuten, daß die Zuwendung zur Kunst eine Praxis ist, die sich Tag für Tag ereignet, nicht bloß wochenends oder wenn man so ein wenig sinniert hat: "Was könnte ich denn machen?" Und wenn man das tut, wird alles zum Gegenstand wie zum Ergebnis dieser Praxis.

Die Befassung mit Kunst als Freizeitereignis ist etwas Respektables, aber es handelt von einer anderen Art in der Welt zu sein. Ich staune über Menschen, die es erstaunt, daß ein Künstler seine Sache Tag für Tag, und das über Jahre, über Jahrzehnte, verfolgt, praktiziert. (Wie kann man darüber staunen, daß jemand atmet?)

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Ich war gestern mit dem Hofstättener Bürgermeister Werner Höfler unterwegs, da wir die ausgeliehenen Rahmen von "Mythos Puch IV" nach Graz zurückzubringen hatten. Das ist die andere Seite so einer Existenz, wo sich dann zum Beispiel Schnittpunkte zu übrigen Tätigkeitsfeldern auftun. Triviale Handreichungen.

Es gehört nicht zum primären Job eines Bürgermeisters, in einer Hütte aufzuräumen, Zeugs zu schleppen, Fuhrdienste zu erledigen. Und wenn ich ein paar Stunden mit ihm unterwegs bin, erzählt allein schon sein Mobiltelefon, was da noch alles anliegt, wenn der Tag lang ist.

Das war gestern eine runde Geschichte an diesem trüben Wintertag. Auf solche Arten ereignet sich das, was ich gerne als die Arbeit am ganzen Leben verstehe. Das Banale und das Spezielle, das Alltägliche und das Besondere in einem permanenten Wechselspiel.

Ich habe in den letzten Jahren immer wieder verblüfft erfahren, daß Menschen gelegentlich dazu neigen, mich für einen Workaholic zu halten. Nun ist es nicht allgemein üblich, daß Denkprozesse und Reflexionsverfahren, die wir tagtäglich haben, auch zu Schreibakten führen. Aber bei einem Schriftsteller sollte das doch eigentlich nicht überraschen.

Bei anderen Menschen führt das zu einer stets aufgeräumten und sauberen Wohnung, zu einem Hobbykeller, in dem man Nobelpreise verdienen könnte, zu einem preisverdächtigen Gemüsegarten, was auch immer jemand als zusammenfassendes Tun für seine oder ihre inneren Vorgänge bevorzugt. Und ein Schriftsteller... Na, der schreibt.

Das ist übrigens auch eine der Bedingungen für dieses kommende Arbeitsjahr und die nach außen gerichteten Ereignisse. Ich halte ja kein Event-Management am Laufen, um Veranstaltungen zu produzieren, sondern leite Veranstaltungen aus den laufenden Diskurs-, Denk- und Reflexionsprozessen ab.

-- [Das 2018er Kunstsymposion] --

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