27. April 2019

Das Neolithikum und seine Konsequenzen... Im Dezember 2017 fand sich nicht nur Maler Markus Lüpertz in meinen Notizen, sondern auch Anthropologe James Suzman. Mir gefällt übrigens diese Formulierung sehr: "The prehistoric shift towards cultivation..."

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Es mag ja sein, daß auf Anhieb nicht einleuchtet, wieso wir uns mit so altem Kram befassen sollten. Dabei wäre mir Grund genug, daß es so bewegende Geschichten sind. Das reicht natürlich sehr viel weiter in unsere aktuellen Angelegenheiten. Aber! Die Kunst. Und das Hierarchische in menschlicher Gemeinschaft. Zwischen diesen Themen die menschliche Gewalttätigkeit. Und zwar speziell jene, die ganz für sich Entfaltung sucht, als Gewalt um der Gewalttätigkeit Willen, als menschliche Grausamkeit.

Ich meine also nicht die gezielte Attacke oder den Abwehrkampf. Ich meine das ausdauernde Traktieren und das Foltern. (Das Neolithikum, die Kunst, das Hierarchische, die Gewalttätigkeit.) Wir können nicht darauf verzichten, danach zu forschen, woher das kam und was es ist. Ich hatte im Eintrag vom 7.12.2017 Lüpertz und Suzman erwähnt, weil es diesen Themenbogen berührte.

Am Tag davor hatte ich Lüpertz zitiert: "verachtet die kleinkinder unseres berufes, die amateure, die mitmacher, die frömmler". All dieses Frömmelnde, das Heuchelnde, das unbedingt Dabeiseinwollende rottet sich laufend zusammen, kommt aus allen Metiers und Milieus. Da entstehen oft sehr gefährliche Gassen, durch die dann jemand getrieben werden muß, was oft tödlich endet.

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Wir kennen übrigens bis heute keine früheren Belege für ein völlig unerklärliches Ausbrechen von einschüchternder Grausamkeit unter Menschen, und zwar quer durch Europa. Das ist Teil der Neolithischen Revolution im Zuge des Seßhaftwerdens der Menschen. Im Eintrag vom 22.12.2017 war ich wieder einmal bei Aristoteles und seiner Auffassung vom Menschen als Zoon politikon, einem geselligen Tierchen. Unser Hang zur Gemeinsamkeit. Weshalb dann diese Gewaltausbrüche?

Und. Zitat aus diesem Eintrag... Es heißt, damals sei Gewalttätigkeit zur Routine geworden: "Stone Age farmers lived through routine violence, and women weren't spared from its toll, a new study finds." schrieb Thia Ghose 2013 für Live Scienece.

Dabei haben wir ein auf Gewalt gestütztes Gefälle zwischen Männern und Frauen eingezogen, das sich bis heute nicht abschaffen ließ, das permanent Opfer abwirft. Ich breite das hier nun nicht weiter aus. Meine Notizen dazu sind für das 2018er Kunstsymposion unter dem Titel "Spurwechsel" zusammengefaßt: [link] (Es wird noch darzulegen sein, warum ich im vorigen Jahr diese Linie abgeschlossen habe, die regionalen Kunstsymposien, wie sie ab 2012 stattfanden.)

Der Eintrag vom 22.1.2018 ist mir wichtig: "Sagt Ihnen der Name Schletz etwas? Schletz ist ein Ortsteil von Asparn an der Zaya. Das liegt nördlich von Mistelbach..." Es ist einer der Orte, die von den "Neolithic massacre(s) in early Europe" zeugen. Ich hab in dem Zusammenhang voriges Jahr kurz an meinem "Sarajevo-Kontext" gearbeitet, den ich ursprünglich verbreitern wollte.

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Dieser 2018er Jänner-Eintrag zieht den Bogen in die Gegenwart, bezieht wichtige Eindrücke aus dem Dokumentarfilm "Restrepo" und endet mit einer kleinen Schilderung meines Vaters, der mir nach Jahren, nein, Jahrzehnten, doch noch über das Sterben im Krieg Auskunft gegeben hat. Der Mann aus dem "Bewährungsbataillon", ein Überlebender wider Erwarten, mit dem Eisernen Kreuz, der Nahkampfspange, dem Goldenen Verwundetenabzeichen, ohne dessen sturer Belastbarkeit es mich nicht gäbe.

Damit will ich sagen: wir sind mit diesen Dingen noch nicht fertig. Vielleicht manche von Euch, vielleicht viele von Euch, aber ich nicht. Vor allem, weil unübersehbar ist, wie allerhand Schönreden und Heuchelei wieder den Boden für das Töten bereitet, auch in unserem Land.

Genau das geschieht im Banalen, im Alltäglichen. Es geschieht am nachhaltigsten dort, wo ganz unaufgeregt und betulich über "Stammesangelegenheiten" gesprochen wird. Denn das ist der erste und deutlichste Hinweis auf solche Prozesse. Wo die Politik uns keine zeitgemäße Auffassung vom Staatswesen, von Nation, von Bevölkerung statt Volk liefert, sondern in Kategorien von Stammeshäuptlingen schwurbelt, hat sie begonnen, den Boden für das Töten vorzubereiten.

Weshalb ist das auf die Art erkennbar? Weil die Stammeshäuptlinge ganz zutreffend um ihre Vorteile fürchten, wenn sie ihr vermutetes Stammesgebiet nicht mehr gegen größere Formationen abzugrenzen vermögen. Dann boomt plötzlich Selbstdefinition durch Feindmarkierung. Und was Feinde sind, das haben wir gelernt, das haben wir seit der Neolithischen Revolution vertieft und verfeinert, da dürfen wir nicht zimperlich sein, da muß früher oder später getötet werden. Soziologe Gunnar Heinsohn hat es unmißverständlich zusammengefaßt: "Um Brot wird gebettelt. Um Rang wird geschossen."

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