4. Juli 2025

Hurra, wir sind Bachmann! IV


[Vorlauf] Ich habe vorhin die unterschiedlichen Konzepte betont, die von einem Leben in der Kunst handeln, weshalb es „die Künstlerinnen und Künstler“ sozial betrachtet überhaupt nicht gibt.

Künstlerische Qualität ist eine ganz andere Kategorie als Marktfähigkeit. Daraus folgt , daß hohe künstlerische Qualität nicht zwingend auch Marktfähigkeit bedeutet. Da stellen sich dann allerhand Fragen, womit man seine Rechnungen bezahlen kann.

Ich hab jüngst auch wieder das Wort „Selbstausbeutung“ gehört, als würde einen a) jemand mit vorgehaltener Knarre zum Künstlerdasein zwingen und wären b) andere Professionen frei von solchen Belastungen. (Schon mal den Begriff „Working Poor“ gehört?)



Wir haben in Gleisdorf zwar Kunst, aber keinen tauglichen Kunstdiskurs. (Im Bild eine Arbeit von Markus Wilfling.)

Ob nun jemand in der Kunst Freelancer ist oder einen „Brotberuf“ ausübt, macht im Standing einen erheblichen Unterschied, ist aber eine soziale Kategorie, keine der Kunst. Ich habe eben erst bei einem Kulturtreff in Gleisdorf eine Künstlerin aus der Pichelsdorfer Kulm-Clique betonen gehört, „Fair pay“ sei auch in der Kunst nötig.

Das taugt nicht einmal als Idee etwas. Wie sollte sowas realisiert werden? a) Der Staat gibt mir eine gewisse Abnahmegarantie für meine Werke? b) Der Staat legt mir was drauf, wenn ich ein Werk auf dem Markt veräußern konnte? c) Der Staat bietet mir einen geschützten Arbeitsplatz in der Kunst? d) Der Staat holt mich an Bord und weist mich einer politischen Kraft zu, so wie Erzherzog Johann von Österreich vor etwa 200 Jahren seinen Hofkünstler hatte, der ihn auf den Reisen nach England begleitete?



In der Gegend herumstehen und bedeutungsschwanger dreinschauen reicht natürlich nicht. (Im Bild eine Arbeit von Resanita.)

Ich fasse noch einmal zusammen: Der Markt Österreichs gibt es nicht einmal ansatzweise her, daß auch nur ein Bruchteil vorhandener Kunstschaffender bloß aus künstlerischer Arbeit ein adäquates Jahreseinkommen beziehen könnten. Über 90 Prozent von uns müssen auf andere Art ihren Broterwerb regeln. (Ich kenne übrigens keine Branche, in der Produzentinnen und Produzenten eine Abnahmegarantie bekommen. Wer sollte das bezahlen und warum?)

Wir haben verschiedene Modelle, wie der Staat Härten der Marktsituation ein wenig kompensieren kann, weil es notwendig ist, daß eine Gesellschaft in ihr geistiges Leben investiert. Daher ringen wir immer wieder darum, vorhandene Modelle zu verbessern. Es ergibt aber noch immer keine Abnahmegarantie und Existenzsicherung für all jene, die in der Kunst leben möchten.

Das bedeutet, die verfügbaren Ressourcen unterliegen einer Verteilungswettkampf. Wären wir, wie gerne dahergeredet wird, „eine Szene“, in der auch bloß der Hauch jener „Solidarität“ bestünde, von der gerne geschwafelt wird, würden wir als Kräfte eines bedeutenden Metiers mindestens zweierlei tun. Erstens viel Grips darauf verwenden, um die bestehenden Kofinanzierungsmodelle zu verbessern, und zweitens über Maßnahmen zur Verteilungsgerechtigkeit reden.



Letzte Festung: Selbstrepräsentation. Und dann? (Im Bild eine Arbeit von Gustav Zankl.)

Bei dem erwähnten Künstlertreff hab ich einen Kunsthandwerker poltern gehört, es ginge zu viel Geld zum Sport und zur Rüstung, wir bräuchten überhaupt keine Gewehre, von dort sollten Budgets zur Kultur geholt werden.

Hätte ein Zwanzigjähriger vor vierzig Jahren so argumentiert, wäre mir klar gewesen, der hat noch keinen Tau von Kulturpolitik und träumt von warmen Eislutschern, statt sich sachkundig zu machen und dann politisch fundiert zu argumentieren. Wenn das heute jemand tut, der seinen 60. Geburtstag längst abgefeiert hat, unterwegs alle gehabten Diskurse ignorieren mochte, muß ich annehmen, ich sitze mit einem Dummkopf am Tisch.

Wir, die wir in der Kunst leben, sind also am allerwenigstens „eine Szene“, sondern ein völlig fragmentiertes Milieu von sozial ganz unterschiedlich aufgestellten Leuten, weltanschaulich und künstlerische in diversen Cliquen zuhause, die nach meiner Erfahrung bestenfalls zusammengreifen, wenn es darum geht, der Regierung eine Protestaktion zu liefern. Ich fürchte, das reicht für gar nichts. Da sollten auf der Höhe der Zeit nächste Strategien erdacht und erprobt werden. [Fortsetzung]

+) Kulturpolitik (Eine Debatte)


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