Rollenklarheit hilft dabei. Es ist legitim, daß es
einem bloß um Popularität oder bloß um Business
geht. Ich aber ziehe die Gesellschaft von Leuten mit
anderen Prioritäten vor. Es besteht freie Wahl,
welchem Sektor man zugehören, welchem Kräftespiel
man sich anschließen möchte.
Wer es vorzieht,
das zu ignorieren, wird eventuell einen geschützten
Arbeitsplatz brauchen, oder gut heiraten müssen, um
sich durchfüttern zu lassen. Man kann sich
streckenweise auch mit politischem Personal
verbünden. Ich habe mir in den letzten rund 50
Jahren die Praxis von so allerhand Stratgien ansehen
können. Ein Fazit lautet unerbittlich: wer ein hohes
Maß an Selbstbestimmung bevorzugt, wird mehrheitlich
anstrengende Jahre haben.
Etwas
konkreterWenn ich zum Beispiel als
Autor einer Verlegerin nahelege, sie möge sich mir
gegenüber als Dienstleisterin bewähren, muß sich das
mit meinem Werk erwirtschaften lassen. Was immer
jemand anderer für mich erledigt, bedarf ja einer
Abgeltung; egal, ob materiell oder ideell. Ich bin
schon so manchem Behelfslyriker begegnet, dessen
Gedichte wenig taugen, aber er gibt den Maestro und
erwartet, für seine Reime von anderen Leuten hofiert
und betreut zu werden. Lustig!

Für gewöhnlich verlangt ein volles
Haus vorab sehr viel Arbeit.
Ich hoffe, daß ich Ihnen bisher klar machen
konnte: Über Buchpublikationen ist kaum etwas zu
verdienen. Außer man gehört zur Liga äußerst
markttauglicher Leute, deren Werke von einem
größeren Publikum angenommen werden, was bedeutet:
Da werfen dann Konzerne ihre PR-Maschinerien an und
in manchen Buchhandlungen werden für derlei Bücher
auf den Tischen Flächen freigemacht.
Ich
dagegen, der ich mich für einen ausgezeichneten
Lyriker halte, kann schon froh sein, wenn ich es mit
einem Buch in die Regale schaffe, was keine so
günstige Position ist wie die Tische; vom
Schaufenster ganz zu schweigen.
Was dabei
dann vom Umsatz abfällt, trägt zu einem nötigen
Jahreseinkommen annähernd nichts bei. Wie schon
erwähnt, zehn Prozent vom Verkaufspreis eines Buches
gelten als vorzügliche Quote. Das macht bei „
An
jenen Tagen“ brutto vier Euro, die mit
dem Fotografen zu teilen sind, also brutto zwei
Euro.

Wer von großen Häusern träumt,
sollte sich in kleinen schon bewährt haben.
Ist es Ihnen aufgefallen? Von dem Buch müßten
also pro Monat tausend (!) Exemplare verkauft
werden, damit ich brutto immer noch weit unter dem
Einkommen etwa eines Gymnasiallehrers stünde.
Wenn ich mich aber kontinuierlich um Lesungen,
Interviews und alle Arten der Medienpräsenz kümmere,
wenn ich um Stipendien, Preise und Residencies
ansuche, wenn ich die Social Media über mehrere
Kanäle laufend bespiele, wenn ich mich gesellig gebe
und viel unter Branchenleuten bin, wenn ich also im
Kulturbetrieb funktioniere, könnte sich ein
Jahreseinkommen, mit dem ich nicht absaufe,
gelegentlich ausgehen. Nicht immer! Aber manchmal.
Nein ich beklage das nicht, ich rede bloß über mein
Metier. So ist die Hackn. Wie Harry S. Truman gesagt
haben soll:
“If you can’t stand the heat, get
out of the kitchen!” [
Fortsetzung]
+)
Kulturpolitik (Eine Debatte)
PostskriptumChefredakteurin Christina
Schulte notierte am 10. Juli 2025 im „Börsenblatt“,
dem Fachmagazin der Buchbranche: „Die Zahl der
Erstauflagen geht weiter zurück, die Verlage
fokussieren sich auf Basis von Zielgruppen- und
Bedürfnisanalysen in der Titelplanung strategisch.
2024 erschienen 58.346 neue Titel, das sind 3,1
Prozent weniger als 2023 (60.230).