12. Juli 2025

Hurra, wir sind Bachmann! VII


[Vorlauf] Ich staune gelegentlich über Schreibende, die nicht einmal landesweit als Branchengrößen gelten dürfen, von jeglichem Marktwert ganz zu schweigen, wie sie mitunter heftige Kulturbetriebs-Schelte austeilen.

Nun könnte man wissen, daß es mit all dem ähnlich ist wie mit der Demokratie. Der Kulturbetrieb, das sind zuallererst einmal wir selbst und darin Leute mit ganz verschiedenen Aufgaben. Erst dann können Politik und Verwaltung, Presseleute und Company Guys aller Arten bei dem andocken, was wir konstituiert haben.



Edition Keiper: Niemand bekommt das Publikum ins Haus geschwemmt.

Rollenklarheit hilft dabei. Es ist legitim, daß es einem bloß um Popularität oder bloß um Business geht. Ich aber ziehe die Gesellschaft von Leuten mit anderen Prioritäten vor. Es besteht freie Wahl, welchem Sektor man zugehören, welchem Kräftespiel man sich anschließen möchte.

Wer es vorzieht, das zu ignorieren, wird eventuell einen geschützten Arbeitsplatz brauchen, oder gut heiraten müssen, um sich durchfüttern zu lassen. Man kann sich streckenweise auch mit politischem Personal verbünden. Ich habe mir in den letzten rund 50 Jahren die Praxis von so allerhand Stratgien ansehen können. Ein Fazit lautet unerbittlich: wer ein hohes Maß an Selbstbestimmung bevorzugt, wird mehrheitlich anstrengende Jahre haben.

Etwas konkreter
Wenn ich zum Beispiel als Autor einer Verlegerin nahelege, sie möge sich mir gegenüber als Dienstleisterin bewähren, muß sich das mit meinem Werk erwirtschaften lassen. Was immer jemand anderer für mich erledigt, bedarf ja einer Abgeltung; egal, ob materiell oder ideell. Ich bin schon so manchem Behelfslyriker begegnet, dessen Gedichte wenig taugen, aber er gibt den Maestro und erwartet, für seine Reime von anderen Leuten hofiert und betreut zu werden. Lustig!



Für gewöhnlich verlangt ein volles Haus vorab sehr viel Arbeit.

Ich hoffe, daß ich Ihnen bisher klar machen konnte: Über Buchpublikationen ist kaum etwas zu verdienen. Außer man gehört zur Liga äußerst markttauglicher Leute, deren Werke von einem größeren Publikum angenommen werden, was bedeutet: Da werfen dann Konzerne ihre PR-Maschinerien an und in manchen Buchhandlungen werden für derlei Bücher auf den Tischen Flächen freigemacht.

Ich dagegen, der ich mich für einen ausgezeichneten Lyriker halte, kann schon froh sein, wenn ich es mit einem Buch in die Regale schaffe, was keine so günstige Position ist wie die Tische; vom Schaufenster ganz zu schweigen.

Was dabei dann vom Umsatz abfällt, trägt zu einem nötigen Jahreseinkommen annähernd nichts bei. Wie schon erwähnt, zehn Prozent vom Verkaufspreis eines Buches gelten als vorzügliche Quote. Das macht bei „An jenen Tagen“ brutto vier Euro, die mit dem Fotografen zu teilen sind, also brutto zwei Euro.



Wer von großen Häusern träumt, sollte sich in kleinen schon bewährt haben.

Ist es Ihnen aufgefallen? Von dem Buch müßten also pro Monat tausend (!) Exemplare verkauft werden, damit ich brutto immer noch weit unter dem Einkommen etwa eines Gymnasiallehrers stünde.

Wenn ich mich aber kontinuierlich um Lesungen, Interviews und alle Arten der Medienpräsenz kümmere, wenn ich um Stipendien, Preise und Residencies ansuche, wenn ich die Social Media über mehrere Kanäle laufend bespiele, wenn ich mich gesellig gebe und viel unter Branchenleuten bin, wenn ich also im Kulturbetrieb funktioniere, könnte sich ein Jahreseinkommen, mit dem ich nicht absaufe, gelegentlich ausgehen. Nicht immer! Aber manchmal. Nein ich beklage das nicht, ich rede bloß über mein Metier. So ist die Hackn. Wie Harry S. Truman gesagt haben soll: “If you can’t stand the heat, get out of the kitchen!” [Fortsetzung]

+) Kulturpolitik (Eine Debatte)

Postskriptum
Chefredakteurin Christina Schulte notierte am 10. Juli 2025 im „Börsenblatt“, dem Fachmagazin der Buchbranche: „Die Zahl der Erstauflagen geht weiter zurück, die Verlage fokussieren sich auf Basis von Zielgruppen- und Bedürfnisanalysen in der Titelplanung strategisch. 2024 erschienen 58.346 neue Titel, das sind 3,1 Prozent weniger als 2023 (60.230).


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