20. Juli 2025

Hurra, wir sind Bachmann! VIII


[Vorlauf] Es ist treffend, von einem steirischen Literaturbetrieb zu sprechen. Ab da muß genauer formuliert werden, über welchen Aspekt dieses Betriebes man Aussagen treffen möchte. Aber von einer „steirischen Literaturszene“ weiß ich nichts, nachdem ich nun gut 50 Jahre Teil des steirischen Literaturbetriebs bin.

Als Natascha Gangl jüngst den Bachmann-Preis erhielt, haben sich erwartungsgemäß etliche Leute postwendend auf diese Geschichte draufgehockt, wie es andere vor wenigen Tagen mit dem toten Himmelsstürmer gemacht haben.



Ich war jung und brauchte das Geld ;-)

Das Ereignis ist ein geeigneter Anlaß, um sich selbst auf dem Boulevard zurechtzustellen und die eigene Sichtbarkeit aufzupolieren. Das braucht nicht beklagt zu werden, so wird das auf dem Boulevard eben gemacht. Und womöglich hat es irgendeinen Nutzen für den steirischen Literaturbetrieb.

Ich komm zurück zu meiner Behauptung, uns primäre Kräfte würden im Literaturbetrieb einerseits soziale Kontraste trennen, andrerseits künstlerische Positionen, zuweilen aber auch bloß die Lagergrenzen, wie sie durch etablierte Zirkel entstehen.

Die sozialen Kontraste ergeben sich unter anderem dadurch, daß nur ein geringer Teil schreibender Kräfte in der Art marktfähig ist, daß sich aus schriftstellerischer Arbeit ein angemessenes Jahreseinkommen erwirtschaften läßt. Das macht keine zehn Prozent aus. Der ganze Rest braucht andere Lebenskonzepte, um ökonomisch zu überleben. Hier ein paar prägnante Beispiele zur Anschauung.



Milde Seele, sehr scharfer Verstand: Helmut Schranz.

Günther Getzinger war in der Zeit meiner „Konferenz in der Provinz“ steirischer Landtagsabgeordneter und Kultursprecher der SPÖ. Damals erklärte er uns, folgendes sei eine der Strategien zur Literaturförderung.

Alfred Kolleritsch habe durch seine Anstellung als Lehrer an einem Grazer Gymnasium seine gesicherte Existenzgrundlage und durch eine stark verringerte Lehrverpflichtung erheblichen zeitlichen Spielraum für seinen künstlerischen Weg. Materielle Not hat Kolleritsch so sicher nicht kennengelernt.

Wolfgang Pollanz war Zeit seiner Berufstätigkeit auch ein Lehrer mit verringerter Lehrverpflichtung, ist überdies mit einer Lehrerin verheiratet. Materielle Not hat Pollanz so sicher nicht kennengelernt.

Andrea Wolfmayr - war dank ihrer ÖVP-Kontakte - Nationalratsabgeordnete und Kultursprecherin der ÖVP, danach bis zu ihrer Pensionierung Bedienstete der Stadt Graz. Materielle Not hat Wolfmayr so sicher nicht kennengelernt.



Gewitterzone in meiner Küche: Thomas Glavinic.

Helmut Schranz, den ich überaus geschätzt habe, war durch eine geringe Anstellung in einer Bibliothek von der enormen Bürde befreit, quer durchs Jahr mit Finanzamt und Sozialversicherungsanstalt klarzukommen. Er hat ein sehr bescheidenes Leben geführt und kam mit diesen Bedingungen – soweit ich mich erinnere – ganz gut zurecht.

Im Kontrast dazu sind die glänzenden Beispiele der höheren Marktfähigkeit äußerst rar. Wie etwa Daniel Kehlmann, wo literarische Qualität und nennenswerte Verkaufszahlen zusammenfallen. Das traf ebenso auf Thomas Glavinic zu, der das bittere Beispiel ergibt, wie sehr man auf dieser hohen Bühne auch gegen die Wand knallen kann.

Es wäre freilich irgendetwas zwischen zynisch und dumm, sich bezüglich Glavinic Häme oder Herablassung zu gönnen. Er hat als Akteur in diesem Metier geraume Zeit ein Level gehalten, von dem viele Schreibende überhaupt keine Tau haben. Sie kennen also auch nicht die Klippen und Bruchstellen, die es da gibt. [Fortsetzung]

+) Hurra, wir sind Bachmann! (Eine Debatte)

Postskriptum
Ein prominenter Toter als Vehikel, ein Paket Floskeln, damit läßt sich allemal etwas zu eigenen Gunsten anfangen, wobei "Frage an die heimischen Medien" ja keine brauchbare Adressierung ist:




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