Das Ereignis ist ein geeigneter Anlaß, um sich
selbst auf dem Boulevard zurechtzustellen und die
eigene Sichtbarkeit aufzupolieren. Das braucht nicht
beklagt zu werden, so wird das auf dem Boulevard
eben gemacht. Und womöglich hat es irgendeinen
Nutzen für den steirischen Literaturbetrieb.
Ich komm zurück zu meiner Behauptung, uns primäre
Kräfte würden im Literaturbetrieb einerseits soziale
Kontraste trennen, andrerseits künstlerische
Positionen, zuweilen aber auch bloß die
Lagergrenzen, wie sie durch etablierte Zirkel
entstehen.
Die sozialen Kontraste ergeben
sich unter anderem dadurch, daß nur ein geringer
Teil schreibender Kräfte in der Art marktfähig ist,
daß sich aus schriftstellerischer Arbeit ein
angemessenes Jahreseinkommen erwirtschaften läßt.
Das macht keine zehn Prozent aus. Der ganze Rest
braucht andere Lebenskonzepte, um ökonomisch zu
überleben. Hier ein paar prägnante Beispiele zur
Anschauung.

Milde Seele, sehr scharfer Verstand:
Helmut Schranz.
Günther Getzinger war in der Zeit meiner „
Konferenz
in der Provinz“ steirischer Landtagsabgeordneter
und Kultursprecher der SPÖ. Damals erklärte er uns,
folgendes sei eine der Strategien zur
Literaturförderung.
Alfred Kolleritsch habe
durch seine Anstellung als Lehrer an einem Grazer
Gymnasium seine gesicherte Existenzgrundlage und
durch eine stark verringerte Lehrverpflichtung
erheblichen zeitlichen Spielraum für seinen
künstlerischen Weg. Materielle Not hat Kolleritsch
so sicher nicht kennengelernt.
Wolfgang
Pollanz war Zeit seiner Berufstätigkeit auch ein
Lehrer mit verringerter Lehrverpflichtung, ist
überdies mit einer Lehrerin verheiratet. Materielle
Not hat Pollanz so sicher nicht kennengelernt.
Andrea Wolfmayr - war dank ihrer ÖVP-Kontakte -
Nationalratsabgeordnete und Kultursprecherin der
ÖVP, danach bis zu ihrer Pensionierung Bedienstete
der Stadt Graz. Materielle Not hat Wolfmayr so
sicher nicht kennengelernt.

Gewitterzone in meiner Küche: Thomas
Glavinic.
Helmut Schranz, den ich überaus geschätzt habe,
war durch eine geringe Anstellung in einer
Bibliothek von der enormen Bürde befreit, quer
durchs Jahr mit Finanzamt und
Sozialversicherungsanstalt klarzukommen. Er hat ein
sehr bescheidenes Leben geführt und kam mit diesen
Bedingungen – soweit ich mich erinnere – ganz gut
zurecht.
Im Kontrast dazu sind die glänzenden
Beispiele der höheren Marktfähigkeit äußerst rar.
Wie etwa Daniel Kehlmann, wo literarische Qualität
und nennenswerte Verkaufszahlen zusammenfallen. Das
traf ebenso auf Thomas Glavinic zu, der das bittere
Beispiel ergibt, wie sehr man auf dieser hohen Bühne
auch gegen die Wand knallen kann.
Es wäre
freilich irgendetwas zwischen zynisch und dumm, sich
bezüglich Glavinic Häme oder Herablassung zu gönnen.
Er hat als Akteur in diesem Metier geraume Zeit ein
Level gehalten, von dem viele Schreibende überhaupt
keine Tau haben. Sie kennen also auch nicht die
Klippen und Bruchstellen, die es da gibt. [
Fortsetzung]
+)
Hurra, wir sind Bachmann!
(Eine Debatte)
PostskriptumEin prominenter Toter als Vehikel,
ein Paket Floskeln, damit läßt sich allemal etwas zu
eigenen Gunsten anfangen, wobei
"Frage an die
heimischen Medien" ja keine brauchbare
Adressierung ist: