19. September 2025

Raumgestaltung III


[Vorlauf] Wäre ich der Kurator eines Museums, würden die alten Drucksorten, die Hefte und Journale, für sich einen Wert haben, den ich sichern müßte. Das sind Dokumente, die bei mir bis in die 1920er Jahre zurückreichen.

Da es aber um meine Hausbibliothek geht, bleiben mir die Informationen wertvoll, nicht aber – wie ich nun feststelle – die Hefte selbst. Sie nehmen gesamt einfach zu viel Platz ein. Nach etlichen Jahren, naja, Jahrzehnten, ist nun ein Punkt erreicht, da hätte Neues kaum noch Platz und ich selbst muß mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit zurechtkommen.



Schatz oder Bürde?

Die Lösung ist einfacher, als ich erst angenommen hab. Ich reiß die relevanten Blätter aus den Heften und schmeiß die Hefte weg. Eines der Fotos hier zeigt die Kiste mit den hinfälligen Journalen und darauf drei Mappen mit den Blättern die ich behalte. Das ist die physische Differenz in meinen Regalbrettern.

Es ergibt ganz nebenbei ein kurioses Körperprogramm, weil die Durchsicht der Hefte, das Herausreißen von Blättern und das Sortieren von all dem, eine Vielfalt an Bewegungsabläufen verlangt, was über Stunden geht. Das ließe sich als eine Art von „Hausmeisters Physiotherapie“ verstehen.

Der Job fällt in meine Kategorie „Steineklopfen“, weil dazu kein nennenswertes intellektuelles Potential nötig ist. Also freie Bahn für allerhand Gedankengut. Natürlich streife ich dabei auch diese Frage nach den verbleibenden Jahren. Das sieht so aus. Manches Zeugs, das ich dieser Tage hervorgezerrt hab, lag zehn, 15 oder gar 20 Jahre in meinen Regalen, Schränken, auch unter der Treppe.



Eine Art der selektiven Kompression.

Da dies mein 70. Jahr ist, darf ich annehmen, daß etliches aus meiner Hausbibliothek schon jetzt nutzlos ist, weil ich es in den verbleibenden Jahren nicht mehr in die Hand nehmen werde. Das gilt auch für die auffallend interessanten Ausgaben unter den alten Sachen. Das gilt ebenso für Dissertationen und Fachartikel, die ich aus dem Web bezogen, ausgedruckt, in Ordnern abgelegt hab. (Siehe dazu auch meine Kolumne „Alter Mann“ bei „Ein Mensch“!)

Ich kann heute via Internet weltweit in Bibliotheken und Archiven recherchieren, was sich in einer Menge PDF-Dokumenten ablagert. Werde ich zu diesem oder jenem Thema noch einmal arbeiten, womöglich ein Buch schreiben? Vermutlich nein. Und falls doch, kann ich neu recherchieren. Also raus mit vielem Papier!

Da trifft auch auf viele Fachbücher zu. Antoni Gaudí steht mir im Weg. Sogar Frank Lloyd Wright. Über Dadaismus gibt’s für mich gerade auch nichts mehr herauszufinden. Über die 1960er Jahre schon gar nicht. Und Beuys?

Magischer Ort: die "Büchertankstelle".

In meiner Gegend wird unter den Kunstschaffenden weiterhin ab und zu gebeuyselt, um sich unter die Flagge der Kunst reklamieren zu können. Das muß einen Kunstdiskurs ersetzen, damit selbst Stümper sich vor einem Platzverweis schützen können. (Mögen sie weiter vor Beuys auf den Knien herumrutschen.)

Also trage ich nach und nach einen Stapel von Büchern zur „Büchertankstelle“ der Stadt. Das ist ein ausgedientes Telefonhäuschen, hinreichend wetterfest. Manchmal bringe ich von dort auch etwas mit. (Ich kann es mir nicht verkneifen!) Wie jüngst bei „Flußfahrt“ von James Dickey. Der Roman ist die Grundlage für den Film „Deliverance“ (John Boorman, 1972) mit Ned Beatty, Burt Reynolds und Jon Voight. Darin kommt diese merkwürdige Begegnung vor, von der ein markantes Musikstück blieb: „Dueling Banjos“. [Fortsetzung]

+) „Alter Mann“ bei „Ein Mensch“ (Über die Conditio humana)


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Als Film: "Beim Sterben ist jeder der erste"