Was ich an Geschichtskenntnis aufbringen kann, läßt
mich annehmen, daß psychische Sonderzustände in
extremer Form, so auch Amokläufe, etwas sind, das in
menschlicher Gemeinschaft unvermeidbar ab und zu
vorkommt.
Es mag wirksame Formen der
Prävention geben, um solche Vorkommnisse
einzugrenzen, aber nichts läßt die Annahme zu,
derlei radikale Ereignisse könnten verläßlich
ausgeschlossen werden. Ich hab es so verstanden: Der
Ausbruch solcher Mordfantasien ist im Grunde nicht
prognostizierbar, soweit es um Einzelpersonen geht.
Bildlich gesprochen: dafür sind die Abgründe
menschlicher Seelen wohl etwas zu tief; und zwar die
unser aller Seelen.
Warum meine ich mit diesem Potential uns alle?
Ich gehe davon aus, daß die besonderen
Kompetenzen und Fähigkeiten, zu der wir Menschen
prinzipiell befähigt sind, ihre Grundlage in der
Modulierbarkeit von Geist und Seele haben. Ein
weites Feld der Möglichkeiten.
Genau
diese Entwicklungsfähigkeit,
Veränderungsfähigkeit, Gestaltbarkeit von Geist
und Seele macht so vieles möglich, was wir
schätzen, lieben, auch was uns begeistert. Eben
dieser innere Gestaltungsspielraum ist, so
scheint es, auch zur anderen Seite hin offen.
Das macht auch die Möglichkeit auf, in Wahn und
Grausamkeit zu verfallen. Es ist kein abstraktes
„Das Böse“, sondern eine evolutionäre Option der
Conditio humana.
Aber halt!
Lassen Sie uns davon ausgehen, daß Fernbefunde
in jedem Fall unzulässig sind, ohne jeglichen
Erkenntniswert. Wer sich da, noch dazu ohne
fachliche Kompetenzen, weit aus dem Fenster
lehnt, wird sich der Wichtigtuerei verdächtig
machen.
Ich habe zum Mörder von Graz
nichts zu sagen, außer das: Wer in sich gute
Gründe findet, einen Mordanschlag so penibel zu
planen, wer dabei einen so hohen Bodycount plant
und erzielt, ist ein Verbrecher und offenbar in
einer Privatmythologie zuhause, in einer
verkommenen Realität, an der wir nicht teilhaben
könnten. Punkt!

(Quelle: ORF)
Ich bin mit Begriffen und Zuschreibungen lieber
zurückhaltend. Also richte ich mich zum Etikett
„Massenmörder“ nach FBI-Kriterien. Dieser Mann
ist ein Massenmörder, denn, Zitat:
„The term
‘serial killings’ means a series of three or
more killings, not less than one of which was
committed within the United States, having
common characteristics such as to suggest the
reasonable possibility that the crimes were
committed by the same actor or actors.”
[Quelle: “Serial Murder” (Multi-Disciplinary
Perspectives for Investigators), Behavioral
Analysis Unit-2, National Center for the
Analysis of Violent Crime, Critical Incident
Response Group, Federal Bureau of Investigation]
Ich lasse mir nicht weismachen, man könnte
per Monitoring innerhalb einer Gesellschaft
solche Einzelpersonen verläßlich aufspüren und
umleiten. Ich nehme an, wir müssen so eine
potentielle Gefährdung zur Kenntnis nehmen wie
einen tödlichen Blitzschlag, der jemanden
treffen kann. Bliebe an den Rahmenbedingungen zu
arbeiten; und sei es bloß am Zugang zu den
Mordwerkzeugen. Kein Hammer und kein Beil ließe
zu, was eine Garnitur zeitgenössischer
Feuerweffen ermöglicht. Und was das
gesellschaftlihe Klima angeht, in dem
Gewaltbereitschaft erblüht? Wir müssen reden!
[
Fortsetzung]
+)
Politik (Eine Debatte)