Oder ich lese: „Aber wo wart ihr, bevor es passiert
ist?“ Na, geh! Ihr? Also wir? Ich auch? Wo genau
sollte man denn vorher gewesen sein, um was genau zu
tun? Immerhin ist Österreich ja kein
Überwachsungsstaat, in dem alle Menschen täglich
gescannt werden könnten.
Wenn ein Mensch in
die Stille verschwindet, in eine andere Realität
wechselt, in eine Privatmythologie eintaucht, um von
dort bewaffnet und mit einem Plan zurückzukommen, wo
und wie hätte jemand diesen Menschen davor abholen
können? Auf welches Recht gestützt?
Selbst
wenn ein belasteter Mensch auf solchem Weg zufällig
grade in einer psychologischen Begleitung wäre,
könnte man die Person doch nicht einfach rausziehen;
außer sie zeigt nachweisbar das Potential, sich
selbst und/oder andere zu gefährden. (Wer nun
Bürger- und Patientenrechte prophylaktisch
abschaffen möchte, bitte aufzeigen!)
Wenn
dann jemand meint, „Dieser Horror ist nicht in Worte
zu fassen“ (Zitat „tagesschau“), wäre zu empfehlen:
Dann schweigen Sie doch, wenn Sie Ihr Handwerk nicht
verstehen. Ich meine, man kann das sehr genau in
Worte fassen; wenn man sich eben nicht auf
Befindlichkeitsprosa beschränkt, sondern auf diese
Verletzlichkeit eingeht, die uns alle ausmacht. Und
wenn man sprachgewandt ist. (Solche Leute gibt es
angeblich.)

Sie wollen hinter jede Mattscheibe
blicken können? Lustig!
So unverhofft kann einem das Leben als genommen
werden. Das wußten Sie noch nicht? Und all die
Gewalt im Land. Da zählt jede Alltagssituation, um
erkennbar gegen dieses ganze Spektrum zu stehn: von
der Gewalt durch Sprache über strukturelle Gewalt,
bis zum Hieb oder Schuß.
Aber vielleicht
unterschätze ich Gewicht und Bedeutung von Floskeln.
Vielleicht ist es so, daß Worthülsen und daß
beliebig befüllbare Containersätze dem Gemeinwesen
nützen, damit bei Bedarf auch wirklich jeder Mensch
andocken kann. Bewährt sich sowas, um Traumata zu
mildern? Ich bin befangen. Mir mißfällt all die
Floskelei grundlegend.

(Quelle: Kontrast.at [KOMPLETTES BLATT])
Für den Täter interessiere ich mich übrigens gar
nicht, für die Tat nur in einigen Aspekten. Mich
haben vor allem jene Stimmen erreicht, die uns
wissen ließen, daß man sich durch so ein Verbrechen
nicht zu Haß hinreißen lassen soll. Keine nutzlose
Schuldzuweisung, kein Wort von Rache und Verdammnis,
aber Beteuerungen, was nun geschehen soll. Wie sehr
ich das schätze: Vom „Du sollst!“ zum „Ich werde!“
Dort liegt Wirkmächtigkeit, die aus
Eigenverantwortung kommt. Das ist die Botschaft, der
ich mich anschließen mag.
Was Betroffenheit
angeht, die halte ich für etwas sehr Intimes. Ich
bleibe skeptisch, ob es in dieser Kultur angebracht
ist, das auf aktuelle Art via Social Media nach
außen zu tragen. Ich verfolge allerdings, was von
den direkt betroffenen Menschen berichtet wird. Das
bewegt mich sehr…[
Fortsetzung]
+)
Politik (Eine Debatte)