17. Juni 2025

Amok: Das Herz der Finsternis


[Vorlauf] Der Weg vom „Du sollst!“ zum „Ich werde!“ scheint steinig zu sein. Es ist offenbar sehr verlockend, anderen zuzurufen, was sie an ihrem Verhalten ändern sollen, damit es mir besser geht. Vielleicht eine begreifliche Reaktion, wenn man sich von etwas betroffen fühlt, was einen überfordert.

Kann man sich irgendwie gegen diese Möglichkeit wappnen, m zivilen Alltag von einem Mörder attackiert zu werden, der einen noch nicht einmal kennt, also keinen persönlichen Grund hat, mir nach dem Leben zu trachten? (Das kann man nicht.)



Wie skurril, daß manche Laien denken, sie könnten innere Zustände eines psychisch kranken Menschen mit ihren Mitteln erkunden.

Ich weiß aus eigener Erfahrung und sehr unfreundlicher Begegnung, daß man es jemandem nicht unbedingt anzusehen vermag, wenn er oder sie gerade den Verstand verliert. Damit meine ich eine Stalking-Erfahrung, die in jüngerer Vergangenheit mein Leben beschädigt hat. Durch eine Frau, die ich davor nicht gekannt habe. Sie hatte mich über Kriterien, die mir unklar sind, als geeignete Zielperson identifiziert und sich konsequent in mein Leben geschraubt.

Spätestens durch die Mitteilung, daß sie mich für einen König hält, der ihr drei Königskinder zeugen werde, um mit ihr ein eigenes Reich aufzubauen, machte mehr als deutlich, daß wir keine gemeinsame Realität bewohnen. Und das waren noch die moderatesten Hinweise auf ihre Abweichung wovon auch immer. („Normalität“ ist eine äußerst trübe Kategorie.)

Gehen Sie ferner davon aus, daß ich Todesnähe aus eigenem Erleben kenne und daher genau weiß, welcher Schrecken sich dadurch in einem einnistet, um nicht mehr zu weichen. Wer so eine Bedrohung überlebt, kann nicht mehr an die Stelle zurückkehren, an der er oder sie vorher gelebt hat. Es ver-rückt einen in der Welt.



(Quelle: ORF)

Ich hab hier zwei Gründe skizziert, weshalb ich mich nicht für einen Verbrecher interessiere, der in seine Privatmythologie abgetaucht und von da bewaffnet zurückgekehrt ist, um Menschen zu ermorden. Ich kann mich nur mit den Konsequenzen befassen, soweit ich mich davon berührt fühle.

Etwa damit, daß sich solche individuellen Entwicklungen eher nicht verläßlich stoppen lassen, weil sie sich offenbar großteils unter dem Radar der Umgebung entfalten. Aber wir könnten als Gesellschaft solche Felder gewiß erheblich eingrenzen, wenn wir kollektiv sehr konsequent den Gewaltverzicht als Ideal stärken würden. Nicht über Predigten und Aufrufe, sondern durch praktisches Handeln.

Das ist bis heute nicht der Fall, wo innerfamiliäre Gewalt in epidemischem Ausmaß boomt, wo Gewalt gegen Mädchen und Frauen Standard ist; ebenso Gewalt durch Sprache, was uns die aktuelle Mediensituation laufend veranschaulicht.



Ein Beispiel für den obszönen Mißbrauch des Vorfalls (Quelle: standpunkt.press)

Ich meine, darin konsequenter zu sein, kann Pathologien nicht abstellen. Aber es trägt sicher dazu bei, sie nicht auch noch anzureichern. Was den Täter angeht, würde ich es freilich vorziehen, daß eine ganze Gesellschaft deutlich macht: „Wenn Du ein solches Verbrechen begehst, werden Dein Name, Dein Gesicht und Deine Geschichte verläßlich aus dem kollektiven Gedächtnis dieser Gemeinschaft gelöscht. Wir werden uns danach nur mit den Konsequenzen des Falles und nicht mit Dir befassen. Mit Deinen Schüssen löschst Du Dich selbst aus unserer Wahrnehmung und unserem Interesse vollkommen aus, als hätte es Dich nie gegeben.“

Wie weit wir davon entfernt sind, zeigt allein die Tatsache, daß ich mir im Web mühelos Informationen über die Bewaffnung des Amokläufers und ein Foto dieser Person beschaffen konnte.

Hier haben also Wichtigtuer und Dummköpfe dazu beigetragen, daß dieser Weg ins Herz der Finsternis als ein Lohn für gehabten Kummer gedeutet werden kann, statt zu unterstreichen, daß dies ein Weg ins Nichts ist, der einen – wie oben erwähnt – verläßlich aus dem kollektiven Gedächtnis unserer Gemeinschaft löscht. [Fortsetzung]

+) Politik (Eine Debatte)

Postskriptum
Ich frage nebenbei, ob ich bei uns je von einer Frau auf so einem Mord-Trip gehört habe und ob der Attentäter mit Knarre und hoher Feuerkraft womöglich emblematischer Ausdruck einer vorherrschenden Männerkultur ist.


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