18. Juni 2025

Amok: Beihilfe


[Vorlauf] Wie anmaßend, borniert und intellektuell unterbelichtet muß man sein, um nach so einem Amoklauf ein Portraitfoto des Mörders aufzutreiben und im Web zu verbreiten! So eine Kanaille macht sich zum Handlanger des Verbrechers, in dem er jenes Zeichen, das der Attentäter unübersehbar setzen wollte, verstärkt, erweitert. Da wäre eventuell von Beihilfe zu sprechen, wenn sich jemand auf solche Art aufplustert und den gesuchten Effekt des Angreifers vergrößert.

Welchen Effekt? Planung, Bewaffnung und Ausführung machen deutlich, daß es da nicht einfach um individuelle Spannungsabfuhr ging, sondern um das Verbreiten von Schrecken. Hohe Feuerkraft, auf völlig beliebig angetroffene Opfer angewandt, drückt aus: es ging um Terror.



Verbrechen als latenter Bestandteil der Condition humana…

Wer terroristisch handelt, ist für mich in seiner Geschichte und seinen Motiven völlig uninteressant, denn das ist Zivilisationsbruch. Ich meine, eine passable Strategie gegen Terror ist dieses Versprechen: „Du wirst nicht in die Geschichte eingehen. Niemand wird wissen, wer Du bist oder warst.“ Jene bedenkenlosen Voyeure, die sich in den letzten Tagen mit der Verbreitung von Täterbildern wichtig gemacht habe, assistieren demnach einem Terroristen, tragen bei, dessen Ziele zu erfüllen.

Ich wünschte, es wäre in unserer Kultur längst selbstverständlicher Standard, daß ein Terrorakt (mit dem Ziel der Öffentlichkeitswirksamkeit) unausweichlich dazu führt, den Täter, seinen Namen, sein Gesicht, seine Geschichte und seine „Botschaft“ umgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung zu löschen. (Es bleibt ja mit der Bewältigung der Tat genug zu tun.)

Während es befugten Fachkräften obliegt, sich nach der Attacke mit dem Täter zu befassen, könnte unsere Gesellschaft alle Kraft darauf verwenden, so ein Verbrechen unerbittlich als Schandtat zu markieren, das den Attentäter so dicht in Schande einhüllt, daß öffentlich nichts von ihm erkennbar bleibt.



Die Bedrohung als vermeintlicher Souveränitätsakt.

Das müßte übrigens auch diese wichtigtuerischen Voyeure mit einem Makel versehen. Ich meine, es wäre im gesamten Spektrum von Gewalttätigkeit eine nützliche Entwicklung, gewissermaßen neuer Ethos: Das Zuschlagen schändet das Opfer, aber bedeckt den Angreifer mit Schande. So eine Markierung ist in unserer vorherrschenden Männerkultur noch nicht einmal in Griffweite.

Und da spreche ich als Insider, denn ich habe diese Bilder selbst in mir. Das Herstellen von Souveränität und Unantastbarkeit durch notfalls Gewaltanwendung. Der Stolz, durch Wehrhaftigkeit. Auch durch die Gewißheit, man könnte anderen Menschen bei Bedarf zur Bedrohung werden und ihnen dadurch eine Verhaltensänderung aufzwingen.



Dienst am Boulevard: Miserable Prosa werte ich als Ausdruck
von inhaltichen Defiziten. (Quelle: ORF)

Das ist altes Kulturgut, wie auch die Knarre nicht bloß Waffe, sondern ebenso Fetisch ist. Gewaltandrohung, ideologisch verbrämt, erweist sich als österreichischer Alltag in dieser Epidemie innerfamiliärer Gewalt, über die nicht gerne gesprochen wird. Ferner in der häufigen Gewalt gegen Mädchen und Frauen, maximal in den Femiziden. Die Steiermark ist darin, wie auch in Selbstmorden, ein höchst aktives Gebiet.

Jemanden zu ermorden, das ist eine Sache. So ein Verbrechen aber an eine Gesellschaft zu adressieren, um Schrecken zu verbreitet, also einen Terrorakt zu setzen, öffnet eine ganz andere Dimension. [Fortsetzung]

+) Politik (Eine Debatte)


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