26. März 2009

Eine Wortschöpfung, die ich erst seit vorigem Jahr kenne, hat eine interessante Karriere gemacht. "Fremdschämen". Ich schäme mich für das, was wer anderer an Peinlichem vorlegt. Es passiert mir eher selten, weil meine partiell rüpelhafte emotionale Ausstattung mich eher dazu bringt, "Fremdpeinlichkeiten"auf ganz andere Arten zu quittieren.

Ein Beispiel: Da wäre aktuell etwa die so oft gnadenlos peinliche und über die Maßen betuliche Witwe des Helmut Zilk, die -- gleich ihm -- dauernd von sich selbst ergriffene Dagmar Koller, wie sie mit allem flattert, was sie hat (und dazu noch mit einem Kruzifix wachelt wie ein angetrunkener Erzbischof), weil zur Debatte steht, daß ihr vormaliger Gatte, der ebenso verdiente wie großspurige Zilk, im Verdacht steht, einst der vormals tschechischen Regierung gegen Geld als Informant gedient zu haben.

Ein begründeter Verdacht, wie vorliegende Dokumente illustrieren, aber immerhin bloß ein Verdacht, weder mit gesicherter und klarer Aussage noch der Unschuldsvermutung entzogen. Und schwupps! schon haben wir in kürzester Zeit die zweite "Heiligsprechung" eines toten politischen Populisten. (Es wäre interessant, über sorgsame Vergleiche zu klären, was Helmut Zilk und Jörg Haider gemeinsam gehabt haben mögen. Ich bin auf jeden Fall überzeugt, daß sie beide große Heuchler Österreichs waren.)

Für diese Dagmar Koller mit ihren rührenden Beteuerungen, das Private wie das Öffentliche betreffend, müßte ich mich vor Schamgefühl krümmen, wenn ich für das "Fremdschämen" anfällig wäre.

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Theatermensch Ernst M. Binder stellte es in einer bedeutungsschweren Email so dar: "BEWEISE: HELMUT ZILK KEIN SPION!" Die Headline ergänzend: "Die Hohepriesterin der Operettenrepublik Österreich entlastet Zilk!" Dem folgt eine Serie von Beweisen für die Zilk'sche Unschuld:

>>Wichtigster Grund: Ich liebe Helmut Zilk.<<
>>2. Die Österreicher haben Helmut geliebt.<<
>>Helmut hat ALLES nur für Österreich getan.<<
>>Der Helmut war ein so ein ehrlicher Mensch.<<
>>Dieses Kreuz hat mir der Helmut geschenkt.<<
>>Ich werde jetzt aufstehen und gehen.<<
>>Weil heute Sonntag ist, zünde ich diese Kerze für Helmut an.<<

Es gibt schwerwiegende Verdachtsmomente bezüglich einer prominenten Person, es besteht Klärungsbedarf, die heuchelei springt aus dem Stand an. Paßt zum Eintrag vom 22. März; paßt zum Gesamtthema "Wie bringen wir unseren Kindern die Redlichkeit der Erwachsenen bei?"

[Wir Kinder des Kalten Krieges]

Übrigens! Physikerin Ilse Tweer schickte mir zum Eintrag vom 19. März über das Thema "Redlichkeit" (Die erste Serie der "Schaufenstersitzungen") folgende Frage:

>>Ich sehe da auch grundlegende Fragen: was sind eigentlich die Kriterien für "Redlichkeit"? Wer definiert diese Kriterien und wer entscheidet über deren Einhaltung?<<

Das wird hier noch darzulegen sein. Morgen habe ich die nächste Station in dieser Serie. Dabei wird mir Gleisdorfs Bürgermeister Christoph Stark gegenüber sitzen: [link] Aber! Fremdschämen. Das könnte ja auch anfallen, wenn ich jemanden sehe, der mit einem völlig überteuerten, übermotorisierten, mit Imagefaktoren überladenen Automobil durch die Gegend gurkt. (Porsche oder so ;-)))

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Dies ist keiner. Porsche. Was sich allein schon daran erkennen läßt, daß ein Plüschbezug jenes Lenkrad umhüllt. Ein plüschiger Lenkradbezug ist in einem Porsche ziemlich undenkbar. Dieses Lenkrad (samt dem Auto) gehört der Keramikerin Christa Ecker-Eckhofen, die in einem kühlen Winkel der Steiermark wohnt und von diesem Hügel herab vor allem in den Morgenstunden kalte Finger im kalten Auto leidet. Ergo ...

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Das ist ja gewissermaßen der "Anti-Porsche", mit dem ich einen Moment des "Fremdfahrens" erleben durfte. Ich zähle zu den aufrechten Fans des Dacia Logan, seit es diese rumänisch- französische Koproduktion gibt. Der Logan war in Österreich noch längst nicht erhältlich, aber damals schon das Ziel von endlosem Spott, da bin ich überzeugt gewesen, daß mit diesem Auto ein wichtiger Akzent gesetzt wurde.

Im Jahr 2005 hatte ich notiert: "Es ist doch gar nicht so lange her, da riskierte man in einem Skoda solche Nasenrümpferei. Aber das hat sich sehr geändert. Ich denke, so wird es auch mit dem Logan kommen ...": [link]

2006 wurden in Österreich schon laufend Inserate geschaltet: [link] Mit meinem "Fremdfahren" waren wir übrigens auf dem Weg zu jener "kunst O.ST"-Klausur, mit der eben für unsere kulturellen Vorhaben wichtige Weichen gestellt worden sind. (Siehe dazu den gestrigen Eintrag!)

Heute geht es bezüglich dieser Entwicklungen nach Deutschlandsberg, wo die zweite LEADER-Kulturkonferenz stattfindet: [link] Ein kulturpolitisches Feld der neuen Optionen, das kürzlich einen Künstler mit besonderen Geistesgaben zu folgender Deutung angeregt hat:

>>Jetzt agiert er in einem Landesregionalkulturprojekt mit dem Namen LEADER. Mag sein, dass dieses Wort im englischen Sprachgebrauch vor allem als Term der Wirtschaft unbelastet ist. Sowohl im oesterreichischen und in Deutschland erinnert das Wort fatal an den Fuehrer. Selbst wenn es der Name eines Konzeptes der Europaeischen Union ist, geraet es hier in einen besonders fatalen Kontext, der eben die negative Assoziation zulaesst und provoziert.<<

Der Mann konstituiert damit gewissermaßen eine Art Dagmar Koller für arme Leute. Rührend! Aber zurück zu einer ernstzunehmenden Auseinandersetzung mit kulturellen und kulturpolitischen Fragen. Gestern hatte ich ein wichtiges Treffen mit Winfried Lechner (links) und Andreas Turk, zwei Geschäftsführern der Firma "ingenos".

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Ausgehend von einem auf Video dokumentierten Gespräch, das ich mit Lechner geführt habe, werden wir nun eine Arbeitslinie entwickeln, die Fragen der Architektur und der Lebensraumgestaltung in den öffentlichen Diskurs bringt. (Siehe dazu "next space"!) Das soll ja auch einer der Themenschwerpunkte bei "kunst O.ST" werden, in Verbindung mit dem Themenschwerpunkt "Alltagskultur".

Juni 2006

1 Käse Hobel 1 Mixer 1 Eis Würfel Form

[Hinfällige Notizen] [***]


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13•09