Log #108 [Vorlauf] Zu solchen Entwicklungen, in denen auch der
Mut zum Experiment in einer Gemeindeverwaltung gefordert ist, gehört unsere
"Kosovo-Geschichte". Ich hab im Eintrag #
106 den Gleisdorfer Tierarzt Karl Bauer erwähnt, der eine höchst erstaunliche
Initiative gesetzt hat, woraus bemerkenswerte Ergebnisse hervorgingen.
Das Kosovo ist aufgrund seines Zustandes nach dem
Sezessionskrieg definitiv am Rande Europas liegend. Bauer brachte von dort Künstler nach
Österreich. Und über Gleisdorf [link]
führte der Weg nun in das Wiener Kunsthistorische Musuem. [link] Es ist also hier
exemplarisch genau NICHT so, daß vom Zentrum aus die Provinz Impulse erhält, es lief
umgekehrt, wovon auf höchster Ebene Notiz genommen worden ist.
Auf dem Foto sieht man die kosovarische Crew,
in deren Mitte den vormaligen Vizekanzler Erhard Busek, welcher seit vielen Jahren als
"Special Coordinator of the Stability Pact for South Eastern Europe" tätig ist.
Damit haben wir einen kräftigen
Erfahrungsschritt getan, der vor allem auch davon handelt, daß eine Stadt wie Gleisdorf
kulturell eben nicht bloß der Region verbunden ist. Auf der Höhe der Zeit anzukommen
bedeutet ja, innerhalb eines weit größeren kulturellen Bezugssystems tätig zu werden.
Das soll nun auf verschiedenen Ebenen weiter ausgelotet werden.
Dazu gehören für mich auch andere Querverbindungen. So
ist im "Museum im Rathaus" für kommendes Frühjahr eine Ausstellung zum Thema
"Spielzeug" geplant, wofür ich mich um den Teilbereich der Spielzeugautos
kümmern werde: [link] Das
schafft seinerseits wiederum Anlässe, künstlerische Querverbindungen zu entwickeln.
Eine andere Querverbindung wurde durch Aktivitäten der
"Solidarregion Weiz"
angeregt. Es ist für viele Kunstschaffende naheliegend, Beiträge zu kritischen Diskursen
zu erbringen, wo andere vorzugsweise schweigsam geworden sind.
Ein Beispiel aus einem ferneren Land. In der Türkei war es
bisher üblich, einen Prozeß an den Hals zu kriegen, mitunter im Gefängnis zu landen,
wenn man den historischen Völkermord an den Armeniern thematisierte. (Franz Werfel hatte
seinen Roman "Die vierzig Tage des Musa Dagh" [link]
diesem Ereignis gewidmet.) Nun haben türkische Intellektuelle ihren Staat in dieser Sache
herausgefordert. (Quelle: "Der
Standard")
In Österreich wäre solche Courage zwar manchmal ebenso
gefordert, meist geht es aber um moderatere Ereignisse. Unsere "informationelle
Umwelt", vor allem die Art, wie unser Alltag durch Medienanwendungen durchdrungen
wird, wirft ja etliche Fragen auf. Ich hab dem einen eigenen Bereich im Labor von
"kunst O.ST" gewidmet. Aktueller Input: "Sind Kruzifixe sexy?"
(Zwischen Information und Propaganda) [link]
Aus dem selben Ereigniszusammenhang war die Idee
entstanden, eine Art "Gespräche in Schaufenstern" zu realisieren. Mit der
Überlegung: Vielleicht muß man manchmal sehr still werden, damit einem Menschen wieder
zuhören.
Die Anregung zu dieser Form habe ich aus einer Session in
Gleisdorf bezogen, mit der ich unser Projekt zum Festival "steirischer herbst"
abschloß. [link] Inzwischen
verfüge ich über Zusagen für eine erste Serie:
+) Historiker Robert F. Hausmann (Reden über Gleisdorf,
Legenden und Verhülltes)
+) Künstler Walter Kratner (Werbung, die Lüge als gesellschaftlich akzeptierter
Standard)
+) Bürgermeister Christoph Stark (Teilthema noch offen)
+) Bankdirektor Josef Tändl (Teilthema noch offen)
+) Sozialfachmann Franz Wolfmayr (Die Medien und die öffentlichen Diskurse)
Damit sollte ein Bild gerundet sein, das in der Region
offenbar noch etwas diffus geblieben ist. Denn ich merke, es kursieren Annahmen, ich
könnte so etwas wie der "Leader-Kulturreferent der Oststeiermark" sein. Eine
irreführende Vorstellung.
So eine Funktion gibt es nicht und sie ist auch von
niemandem intendiert ... außer vielleicht in der Phantasie einiger Kunstschaffender, die
sich wünschen, daß ihnen jemand all die Arbeit abnimmt, die jenseits der primären
Kunstpraxis anfällt.
Ich bin also (nach wie vor) primär ein KÜNSTLER, der
überdies bei der "Energie-Region Weiz-Gleisdorf", also bei einer Leader-Region,
ein Projekt eingereicht hat. [link] Sollte dieses Projekt alle nötigen Zustimmungen erhalten, sollte
ich dann einen Vertrag in Händen haben und sollte die Finanzierung gesichert sein, wird
dieses auf zwölf Monate begrenzte Vorhaben nicht eine "soziokulturelle
Drehscheibe" SEIN, sondern auf dem möglichen Weg da hin die GRUNDLAGEN einer
"soziokulturelle Drehscheibe" UNTERSUCHEN.
All das betrifft nur MARGINAL meine "eigentliche"
künstlerische Arbeit, aber es betrifft ganz stark die regionalen BEDINGUNGEN meiner
Kunstpraxis.
Ich weiß von etlichen Kunstschaffenden, daß sie solche
Zustände beklagen. Es sollte also nicht so sein, daß man sich mit so vielen
"kunstfremden" Tätigkeiten befassen müsse, wenn man künstlerisch überleben
möchte. Mag sein.
Die Mittel dazu sind ja bekannt und überschaubar:
1) Reiche Eltern haben.
2) Äußerst markttauglich sein.
3) Im künstleirschen Rang möglichst so bedeutend sein, daß die Welt um einen nicht
herumkommt.
Wer allerdings in keinem dieser Fächer über herausragende
Vorteile verfügt, wird wohl in Fragen des Brotwerwerbes jene Prioritäten akzeptieren
müssen, von denen nicht einmal der große Leonardo befreit war.
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